Aktuelles 2

21.12.2023
Pressemitteilung ZEBRA e.V.

Urteilsverkündung zur rechten und rassistischen Autoattacke von Henstedt-Ulzburg

Nach über drei Jahren kam es heute zur Urteilsverkündung im Fall der rechten und rassistischen Autoattacke von Henstedt-Ulzburg. Am 17. Oktober 2020 fuhr ein 19-Jähriger, der zum damaligen Zeitpunkt Mitglied in der AfD war, am Rande einer Kundgebung gegen eine Veranstaltung der AfD mit einem Pick-Up in Antifaschist*innen und verletzte vier von ihnen teilweise schwer. Von einer Parkbucht aus steuerte Melvin S. das schwere Gefährt auf den Bürgersteig und fuhr gezielt in die Demonstrierenden. Der Angriff wurde von der Polizei in einer ersten Pressemitteilung noch als Verkehrsunfall verharmlost. Nachdem sich Betroffene öffentlich zu Wort gemeldet hatten, wurden die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung geführt. Seit Juli wurde der Fall vor dem Landgericht Kiel wegen versuchtem Totschlag verhandelt.

Heute wurde der Angeklagte Melvin S. wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt. Zudem muss er Schmerzensgeld an alle Betroffenen zahlen.

In der Urteilsbegründung erklärte das Gericht, dass die Tat „kein rechter Angriff aus Hass oder Wut auf den politischen Gegner“ gewesen sei, sondern der Tatentschluss aus einer Notwehrhandlung heraus entstanden sei, da ein Begleiter des Täters von einer unbekannten Person geschlagen worden sei. Die Fahrt mit dem Auto auf dem Bürgersteig sei dafür allerdings das falsche Mittel gewesen. Dabei habe S. zunächst zwei Betroffene mit dem Auto getroffen, sei dann ohne zu bremsen weitergefahren und hätte dann eine weitere Betroffene getroffen. Ein vierter Betroffener habe sich nur durch einen Sprung retten können.

Spätestens, als der Täter nach dem ersten Aufprall ohne zu bremsen weiter auf dem Bürgersteig fuhr, in Kombination mit den vorherigen Aussagen des Täters über seinen Hass auf Linke, ergibt sich ein Gesamtbild, dass die Kammer meiner Meinung nach unzureichend bewertet hat“, erklärte Björn Elberling, Vertreter der Nebenklage, in Bezug auf den Tatvorwurf und die mögliche Tatmotivation. Dass die besondere Brutalität nicht in die Bewertung der Tat als rechter Angriff einfloss, ist aus Sicht von ZEBRA ebenfalls zu kritisieren.

Das Gericht hat zwar u.a. anhand der AfD-Mitgliedschaft des Täters ein zum Tatzeitpunkt rechtes Weltbild festgestellt, ein mögliches rechtes Tatmotiv, das sich strafverschärfend ausgewirkt hätte, sah das Gericht nicht als vollends bewiesen an. Dabei hatte sich der Täter neben seiner Parteimitgliedschaft bereits vor der Tat in einem Chat über seinen Hass gegen Linke ausgelassen.

Zudem führten Melvin S. und seine Begleiter Aufkleber mit rechten Inhalten und eine Flasche sogenannter „Reichsbrause“ mit sich, die im Onlineshop des bundesweit bekannten Neonazis Tommy Frenck zu erwerben ist, und lies sich am Rande der antifaschistischen Kundgebung damit fotografieren. Auf seinem Handy fanden sich rassistische, NS-verherrlichende und antisemitische Inhalte wie Fotos in Uniform oder Hakenkreuzdarstellungen. Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Belege für die extrem rechte Ideologie des Täters zeigen sich die Schwierigkeiten in der Anwendung des §46 Abs. 2 des Strafgesetzbuches. „Was muss noch erwiesen sein, damit sich die politische Dimension mit §46 auch im Kontext Strafzumessung ausdrücken kann?“, kritisiert Felix Fischer, Berater bei ZEBRA.

Auf die vom Täter und seinen Begleitern behauptete Notwehrsituation ging das Gericht insoweit ein, dass es eine Situation gegeben habe, die den Täter veranlasst habe mit dem Auto loszufahren. Zu dieser Strategie hatte Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der einen der Betroffenen in der Nebenklage vertrat, schon in seinem Plädoyer gesagt: „Der Angeklagte und seine Begleiter haben von Anfang an versucht, die bewährte Taktik des ‚wir wurden angegriffen‘ zu spielen.“ Ein Phänomen, dass bei rechten Angriffen immer wieder zu beobachten ist. Unter dem Vorwand einer stetigen, vermeintlichen Bedrohung von Antifaschist*innen oder einer imaginierten „Überfremdung“ sind Rechte dauerhaft in einer Situation, in der sie ihre Gewaltanwendung als vermeintliche Notwehrhandlungen begründen. Die „obsessive Beschäftigung“ mit der phantasierten Bedrohung durch den politischen Feind sei auch ein Beleg für einen Tötungsvorsatz beim Angeklagten, erklärte auch Rechtsanwalt Björn Elberling bereits in seinem Plädoyer: „Wer sein Volk gegen das Aussterben verteidigt, wer dabei gegen Gegner kämpft,[…] der schafft es dann auch, sich über eine Hemmschwelle hinwegzusetzen“.

Mit dem heutigen Urteil ist zwar die juristische Aufarbeitung der Autoattacke möglicherweise vorerst beendet, die physischen und psychischen Folgen für die Betroffenen wirken aber weiter. „Der Angriff mit dem Pick-Up kam aus dem Nichts. Er riss mich hinein in ein schmerzdominiertes Leben, von denen der Schmerz mittlerweile meinen Tagesablauf bestimmt und nicht mehr das Schöne“, erklärte einer der Betroffenen. Der rechte Angriff von Henstedt-Ulzburg, der durchaus hätte tödlich enden können, stellte für die Betroffenen einen massiven Einschnitt in ihr Leben dar. Teilweise bestehen bis heute Einschränkungen im alltäglichen Leben und noch ist unklar, ob die vorhandenen psychischen, physischen und materiellen Folgen entschädigt werden. Der Kampf der Betroffenen um Gerechtigkeit und Bewältigung ist daher noch lange nicht vorbei. „Ich habe gekämpft und ich habe überlebt. Der Prozess endet heute, aber ich werde weiter mit den Konsequenzen des Tötungsversuchs durch Melvin S. kämpfen“ eine Betroffene dazu.

Der Angriff von Henstedt-Ulzburg hat gezeigt, dass die jahrelange Hetze extrem rechter Akteur*innen (innerhalb der AfD) gegen Antifaschist*innen und von Rassismus betroffene Personen nicht ohne Wirkung bleibt und sich potentielle Täter*innen zu Angriffen berufen fühlen, die tödlich enden können. Die AfD versucht ihre eigene Rolle in der Autoattacke bis heute kleinzureden. Doch nicht nur war der Täter zum Tatzeitpunkt Mitglied der Partei, kurz nach der Tat traf er sich mit dem damaligen Kreisparteivorsitzenden Julian Flak, der ihm einen Austritt aus der AfD nahelegte, um Schaden von der Partei abzuwenden. Gleichzeitig versuchte Flak sich in Täter-Opfer-Umkehr und verteilte kurz nach der Tat in Henstedt-Ulzburg Flyer, die ein Verbot „der Antifa“ forderten. Vor dem Hintergrund, dass sich die „Junge Alternative“ in Schleswig-Holstein in letzter Zeit damit brüstet Kampfsporttrainings mit offen faschistischen Gruppen durchzuführen, bleibt die Gefahr von weiteren Angriffen auf alle Menschen, die nicht in ein rechtes Weltbild passen, bestehen.

Damit Betroffene solcher Angriffe mit den Folgen nicht alleine bleiben, braucht es solidarische Unterstützung, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert. Ein gutes Beispiel dafür ist die Arbeit des Bündnisses „Tatort Henstedt-Ulzburg“, das den kompletten Prozess begleitet, mit unzähligen Kundgebungen auf die politische Dimension der Tat hingewiesen hat und den Betroffenen Raum bot ihre Perspektive in die Öffentlichkeit zu tragen. Felix Fischer erklärte dazu: „Die solidarische Prozessbegleitung und die Bemühungen, das Thema in der Öffentlichkeit zu halten, sind von unschätzbarem Wert für die Betroffenen. Wir danken allen Unterstützer*innen und den engagierten Nebenklagevertreter*innen für ihren Einsatz.

Die Pressemitteilung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ bzw. des BAFzA sowie des Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein und des Landesdemokratiezentrums dar. Für inhaltliche Aussagen trägt der oder die Autor:in bzw. tragen die Autor:innen die Verantwortung.

21.12.2023
Pressemitteilung ZEBRA e.V.

Urteilsverkündung zur rechten und rassistischen Autoattacke von Henstedt-Ulzburg

Nach über drei Jahren kam es heute zur Urteilsverkündung im Fall der rechten und rassistischen Autoattacke von Henstedt-Ulzburg. Am 17. Oktober 2020 fuhr ein 19-Jähriger, der zum damaligen Zeitpunkt Mitglied in der AfD war, am Rande einer Kundgebung gegen eine Veranstaltung der AfD mit einem Pick-Up in Antifaschist*innen und verletzte vier von ihnen teilweise schwer. Von einer Parkbucht aus steuerte Melvin S. das schwere Gefährt auf den Bürgersteig und fuhr gezielt in die Demonstrierenden. Der Angriff wurde von der Polizei in einer ersten Pressemitteilung noch als Verkehrsunfall verharmlost. Nachdem sich Betroffene öffentlich zu Wort gemeldet hatten, wurden die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung geführt. Seit Juli wurde der Fall vor dem Landgericht Kiel wegen versuchtem Totschlag verhandelt.

Heute wurde der Angeklagte Melvin S. wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt. Zudem muss er Schmerzensgeld an alle Betroffenen zahlen.

In der Urteilsbegründung erklärte das Gericht, dass die Tat „kein rechter Angriff aus Hass oder Wut auf den politischen Gegner“ gewesen sei, sondern der Tatentschluss aus einer Notwehrhandlung heraus entstanden sei, da ein Begleiter des Täters von einer unbekannten Person geschlagen worden sei. Die Fahrt mit dem Auto auf dem Bürgersteig sei dafür allerdings das falsche Mittel gewesen. Dabei habe S. zunächst zwei Betroffene mit dem Auto getroffen, sei dann ohne zu bremsen weitergefahren und hätte dann eine weitere Betroffene getroffen. Ein vierter Betroffener habe sich nur durch einen Sprung retten können.

Spätestens, als der Täter nach dem ersten Aufprall ohne zu bremsen weiter auf dem Bürgersteig fuhr, in Kombination mit den vorherigen Aussagen des Täters über seinen Hass auf Linke, ergibt sich ein Gesamtbild, dass die Kammer meiner Meinung nach unzureichend bewertet hat“, erklärte Björn Elberling, Vertreter der Nebenklage, in Bezug auf den Tatvorwurf und die mögliche Tatmotivation. Dass die besondere Brutalität nicht in die Bewertung der Tat als rechter Angriff einfloss, ist aus Sicht von ZEBRA ebenfalls zu kritisieren.

Das Gericht hat zwar u.a. anhand der AfD-Mitgliedschaft des Täters ein zum Tatzeitpunkt rechtes Weltbild festgestellt, ein mögliches rechtes Tatmotiv, das sich strafverschärfend ausgewirkt hätte, sah das Gericht nicht als vollends bewiesen an. Dabei hatte sich der Täter neben seiner Parteimitgliedschaft bereits vor der Tat in einem Chat über seinen Hass gegen Linke ausgelassen.

Zudem führten Melvin S. und seine Begleiter Aufkleber mit rechten Inhalten und eine Flasche sogenannter „Reichsbrause“ mit sich, die im Onlineshop des bundesweit bekannten Neonazis Tommy Frenck zu erwerben ist, und lies sich am Rande der antifaschistischen Kundgebung damit fotografieren. Auf seinem Handy fanden sich rassistische, NS-verherrlichende und antisemitische Inhalte wie Fotos in Uniform oder Hakenkreuzdarstellungen. Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Belege für die extrem rechte Ideologie des Täters zeigen sich die Schwierigkeiten in der Anwendung des §46 Abs. 2 des Strafgesetzbuches. „Was muss noch erwiesen sein, damit sich die politische Dimension mit §46 auch im Kontext Strafzumessung ausdrücken kann?“, kritisiert Felix Fischer, Berater bei ZEBRA.

Auf die vom Täter und seinen Begleitern behauptete Notwehrsituation ging das Gericht insoweit ein, dass es eine Situation gegeben habe, die den Täter veranlasst habe mit dem Auto loszufahren. Zu dieser Strategie hatte Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der einen der Betroffenen in der Nebenklage vertrat, schon in seinem Plädoyer gesagt: „Der Angeklagte und seine Begleiter haben von Anfang an versucht, die bewährte Taktik des ‚wir wurden angegriffen‘ zu spielen.“ Ein Phänomen, dass bei rechten Angriffen immer wieder zu beobachten ist. Unter dem Vorwand einer stetigen, vermeintlichen Bedrohung von Antifaschist*innen oder einer imaginierten „Überfremdung“ sind Rechte dauerhaft in einer Situation, in der sie ihre Gewaltanwendung als vermeintliche Notwehrhandlungen begründen. Die „obsessive Beschäftigung“ mit der phantasierten Bedrohung durch den politischen Feind sei auch ein Beleg für einen Tötungsvorsatz beim Angeklagten, erklärte auch Rechtsanwalt Björn Elberling bereits in seinem Plädoyer: „Wer sein Volk gegen das Aussterben verteidigt, wer dabei gegen Gegner kämpft,[…] der schafft es dann auch, sich über eine Hemmschwelle hinwegzusetzen“.

Mit dem heutigen Urteil ist zwar die juristische Aufarbeitung der Autoattacke möglicherweise vorerst beendet, die physischen und psychischen Folgen für die Betroffenen wirken aber weiter. „Der Angriff mit dem Pick-Up kam aus dem Nichts. Er riss mich hinein in ein schmerzdominiertes Leben, von denen der Schmerz mittlerweile meinen Tagesablauf bestimmt und nicht mehr das Schöne“, erklärte einer der Betroffenen. Der rechte Angriff von Henstedt-Ulzburg, der durchaus hätte tödlich enden können, stellte für die Betroffenen einen massiven Einschnitt in ihr Leben dar. Teilweise bestehen bis heute Einschränkungen im alltäglichen Leben und noch ist unklar, ob die vorhandenen psychischen, physischen und materiellen Folgen entschädigt werden. Der Kampf der Betroffenen um Gerechtigkeit und Bewältigung ist daher noch lange nicht vorbei. „Ich habe gekämpft und ich habe überlebt. Der Prozess endet heute, aber ich werde weiter mit den Konsequenzen des Tötungsversuchs durch Melvin S. kämpfen“ eine Betroffene dazu.

Der Angriff von Henstedt-Ulzburg hat gezeigt, dass die jahrelange Hetze extrem rechter Akteur*innen (innerhalb der AfD) gegen Antifaschist*innen und von Rassismus betroffene Personen nicht ohne Wirkung bleibt und sich potentielle Täter*innen zu Angriffen berufen fühlen, die tödlich enden können. Die AfD versucht ihre eigene Rolle in der Autoattacke bis heute kleinzureden. Doch nicht nur war der Täter zum Tatzeitpunkt Mitglied der Partei, kurz nach der Tat traf er sich mit dem damaligen Kreisparteivorsitzenden Julian Flak, der ihm einen Austritt aus der AfD nahelegte, um Schaden von der Partei abzuwenden. Gleichzeitig versuchte Flak sich in Täter-Opfer-Umkehr und verteilte kurz nach der Tat in Henstedt-Ulzburg Flyer, die ein Verbot „der Antifa“ forderten. Vor dem Hintergrund, dass sich die „Junge Alternative“ in Schleswig-Holstein in letzter Zeit damit brüstet Kampfsporttrainings mit offen faschistischen Gruppen durchzuführen, bleibt die Gefahr von weiteren Angriffen auf alle Menschen, die nicht in ein rechtes Weltbild passen, bestehen.

Damit Betroffene solcher Angriffe mit den Folgen nicht alleine bleiben, braucht es solidarische Unterstützung, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert. Ein gutes Beispiel dafür ist die Arbeit des Bündnisses „Tatort Henstedt-Ulzburg“, das den kompletten Prozess begleitet, mit unzähligen Kundgebungen auf die politische Dimension der Tat hingewiesen hat und den Betroffenen Raum bot ihre Perspektive in die Öffentlichkeit zu tragen. Felix Fischer erklärte dazu: „Die solidarische Prozessbegleitung und die Bemühungen, das Thema in der Öffentlichkeit zu halten, sind von unschätzbarem Wert für die Betroffenen. Wir danken allen Unterstützer*innen und den engagierten Nebenklagevertreter*innen für ihren Einsatz.

Die Pressemitteilung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ bzw. des BAFzA sowie des Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein und des Landesdemokratiezentrums dar. Für inhaltliche Aussagen trägt der oder die Autor:in bzw. tragen die Autor:innen die Verantwortung.

21.12.2023
Pressemitteilung ZEBRA e.V.

Urteilsverkündung zur rechten und rassistischen Autoattacke von Henstedt-Ulzburg

Nach über drei Jahren kam es heute zur Urteilsverkündung im Fall der rechten und rassistischen Autoattacke von Henstedt-Ulzburg. Am 17. Oktober 2020 fuhr ein 19-Jähriger, der zum damaligen Zeitpunkt Mitglied in der AfD war, am Rande einer Kundgebung gegen eine Veranstaltung der AfD mit einem Pick-Up in Antifaschist*innen und verletzte vier von ihnen teilweise schwer. Von einer Parkbucht aus steuerte Melvin S. das schwere Gefährt auf den Bürgersteig und fuhr gezielt in die Demonstrierenden. Der Angriff wurde von der Polizei in einer ersten Pressemitteilung noch als Verkehrsunfall verharmlost. Nachdem sich Betroffene öffentlich zu Wort gemeldet hatten, wurden die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung geführt. Seit Juli wurde der Fall vor dem Landgericht Kiel wegen versuchtem Totschlag verhandelt.

Heute wurde der Angeklagte Melvin S. wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt. Zudem muss er Schmerzensgeld an alle Betroffenen zahlen.

In der Urteilsbegründung erklärte das Gericht, dass die Tat „kein rechter Angriff aus Hass oder Wut auf den politischen Gegner“ gewesen sei, sondern der Tatentschluss aus einer Notwehrhandlung heraus entstanden sei, da ein Begleiter des Täters von einer unbekannten Person geschlagen worden sei. Die Fahrt mit dem Auto auf dem Bürgersteig sei dafür allerdings das falsche Mittel gewesen. Dabei habe S. zunächst zwei Betroffene mit dem Auto getroffen, sei dann ohne zu bremsen weitergefahren und hätte dann eine weitere Betroffene getroffen. Ein vierter Betroffener habe sich nur durch einen Sprung retten können.

Spätestens, als der Täter nach dem ersten Aufprall ohne zu bremsen weiter auf dem Bürgersteig fuhr, in Kombination mit den vorherigen Aussagen des Täters über seinen Hass auf Linke, ergibt sich ein Gesamtbild, dass die Kammer meiner Meinung nach unzureichend bewertet hat“, erklärte Björn Elberling, Vertreter der Nebenklage, in Bezug auf den Tatvorwurf und die mögliche Tatmotivation. Dass die besondere Brutalität nicht in die Bewertung der Tat als rechter Angriff einfloss, ist aus Sicht von ZEBRA ebenfalls zu kritisieren.

Das Gericht hat zwar u.a. anhand der AfD-Mitgliedschaft des Täters ein zum Tatzeitpunkt rechtes Weltbild festgestellt, ein mögliches rechtes Tatmotiv, das sich strafverschärfend ausgewirkt hätte, sah das Gericht nicht als vollends bewiesen an. Dabei hatte sich der Täter neben seiner Parteimitgliedschaft bereits vor der Tat in einem Chat über seinen Hass gegen Linke ausgelassen.

Zudem führten Melvin S. und seine Begleiter Aufkleber mit rechten Inhalten und eine Flasche sogenannter „Reichsbrause“ mit sich, die im Onlineshop des bundesweit bekannten Neonazis Tommy Frenck zu erwerben ist, und lies sich am Rande der antifaschistischen Kundgebung damit fotografieren. Auf seinem Handy fanden sich rassistische, NS-verherrlichende und antisemitische Inhalte wie Fotos in Uniform oder Hakenkreuzdarstellungen. Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Belege für die extrem rechte Ideologie des Täters zeigen sich die Schwierigkeiten in der Anwendung des §46 Abs. 2 des Strafgesetzbuches. „Was muss noch erwiesen sein, damit sich die politische Dimension mit §46 auch im Kontext Strafzumessung ausdrücken kann?“, kritisiert Felix Fischer, Berater bei ZEBRA.

Auf die vom Täter und seinen Begleitern behauptete Notwehrsituation ging das Gericht insoweit ein, dass es eine Situation gegeben habe, die den Täter veranlasst habe mit dem Auto loszufahren. Zu dieser Strategie hatte Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der einen der Betroffenen in der Nebenklage vertrat, schon in seinem Plädoyer gesagt: „Der Angeklagte und seine Begleiter haben von Anfang an versucht, die bewährte Taktik des ‚wir wurden angegriffen‘ zu spielen.“ Ein Phänomen, dass bei rechten Angriffen immer wieder zu beobachten ist. Unter dem Vorwand einer stetigen, vermeintlichen Bedrohung von Antifaschist*innen oder einer imaginierten „Überfremdung“ sind Rechte dauerhaft in einer Situation, in der sie ihre Gewaltanwendung als vermeintliche Notwehrhandlungen begründen. Die „obsessive Beschäftigung“ mit der phantasierten Bedrohung durch den politischen Feind sei auch ein Beleg für einen Tötungsvorsatz beim Angeklagten, erklärte auch Rechtsanwalt Björn Elberling bereits in seinem Plädoyer: „Wer sein Volk gegen das Aussterben verteidigt, wer dabei gegen Gegner kämpft,[…] der schafft es dann auch, sich über eine Hemmschwelle hinwegzusetzen“.

Mit dem heutigen Urteil ist zwar die juristische Aufarbeitung der Autoattacke möglicherweise vorerst beendet, die physischen und psychischen Folgen für die Betroffenen wirken aber weiter. „Der Angriff mit dem Pick-Up kam aus dem Nichts. Er riss mich hinein in ein schmerzdominiertes Leben, von denen der Schmerz mittlerweile meinen Tagesablauf bestimmt und nicht mehr das Schöne“, erklärte einer der Betroffenen. Der rechte Angriff von Henstedt-Ulzburg, der durchaus hätte tödlich enden können, stellte für die Betroffenen einen massiven Einschnitt in ihr Leben dar. Teilweise bestehen bis heute Einschränkungen im alltäglichen Leben und noch ist unklar, ob die vorhandenen psychischen, physischen und materiellen Folgen entschädigt werden. Der Kampf der Betroffenen um Gerechtigkeit und Bewältigung ist daher noch lange nicht vorbei. „Ich habe gekämpft und ich habe überlebt. Der Prozess endet heute, aber ich werde weiter mit den Konsequenzen des Tötungsversuchs durch Melvin S. kämpfen“ eine Betroffene dazu.

Der Angriff von Henstedt-Ulzburg hat gezeigt, dass die jahrelange Hetze extrem rechter Akteur*innen (innerhalb der AfD) gegen Antifaschist*innen und von Rassismus betroffene Personen nicht ohne Wirkung bleibt und sich potentielle Täter*innen zu Angriffen berufen fühlen, die tödlich enden können. Die AfD versucht ihre eigene Rolle in der Autoattacke bis heute kleinzureden. Doch nicht nur war der Täter zum Tatzeitpunkt Mitglied der Partei, kurz nach der Tat traf er sich mit dem damaligen Kreisparteivorsitzenden Julian Flak, der ihm einen Austritt aus der AfD nahelegte, um Schaden von der Partei abzuwenden. Gleichzeitig versuchte Flak sich in Täter-Opfer-Umkehr und verteilte kurz nach der Tat in Henstedt-Ulzburg Flyer, die ein Verbot „der Antifa“ forderten. Vor dem Hintergrund, dass sich die „Junge Alternative“ in Schleswig-Holstein in letzter Zeit damit brüstet Kampfsporttrainings mit offen faschistischen Gruppen durchzuführen, bleibt die Gefahr von weiteren Angriffen auf alle Menschen, die nicht in ein rechtes Weltbild passen, bestehen.

Damit Betroffene solcher Angriffe mit den Folgen nicht alleine bleiben, braucht es solidarische Unterstützung, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert. Ein gutes Beispiel dafür ist die Arbeit des Bündnisses „Tatort Henstedt-Ulzburg“, das den kompletten Prozess begleitet, mit unzähligen Kundgebungen auf die politische Dimension der Tat hingewiesen hat und den Betroffenen Raum bot ihre Perspektive in die Öffentlichkeit zu tragen. Felix Fischer erklärte dazu: „Die solidarische Prozessbegleitung und die Bemühungen, das Thema in der Öffentlichkeit zu halten, sind von unschätzbarem Wert für die Betroffenen. Wir danken allen Unterstützer*innen und den engagierten Nebenklagevertreter*innen für ihren Einsatz.

Die Pressemitteilung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ bzw. des BAFzA sowie des Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein und des Landesdemokratiezentrums dar. Für inhaltliche Aussagen trägt der oder die Autor:in bzw. tragen die Autor:innen die Verantwortung.

Prozessauftakt zur Autoattacke von Henstedt-Ulzburg am 03.07.2023

Am 17. Oktober 2020 fand im Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg eine Veranstaltung der Alternativen für Deutschland (AfD) statt. Am Rand der Veranstaltung fuhr ein junger Mann mit einem Pick-Up in gegen die AfD protestierende Antifaschist_innen und verletzte vier von ihnen teilweise schwer. Heute, fast drei Jahre nach dem rechten und rassistischen Angriff, beginnt nun der Prozess vor dem Landgericht Kiel u. a. wegen versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr.

Dass es überhaupt zu diesem Gerichtsverfahren kommt, liegt vor allem an antifaschistischer und journalistischer Recherche. Die Polizei schilderte den Vorfall in ihrer ersten Meldung als Auseinandersetzung zwischen rechten und linken und sprach von einem Verkehrsunfall. „Demonstranten der rechten und linken Szene gerieten außerhalb des Veranstaltungsgeländes aneinander. Dabei wurde im Rahmen eines Verkehrsunfalls eine Person der linken Szene schwer verletzt und in ein Krankenhaus eingeliefert.“

Erst die Schilderung von Betroffenen gegenüber der Presse, zeigten auf, was tatsächlich geschehen war: „Und der Fahrer gab Vollgas und raste auf uns zu.“ 

Der Angriff steht exemplarisch für die Relevanz der Betroffenenperspektive in der Einschätzung zu rechten Gewalttaten. Felix Fischer, Berater bei ZEBRA, erklärt dazu: „Nach rechten Angriffen wird häufig mit diversen Akteur_innen gesprochen, die alle ihre Sicht auf das Geschehene wiedergeben – fast immer ohne mit den Betroffenen gesprochen zu haben. Dabei können diese durch ihren persönlichen Erfahrungshintergrund meist sehr gut einschätzen wie die Tat zu bewerten ist.“

Rechte Angriffe finden nicht im luftleeren Raum statt. Die jahrelange Hetze extrem rechter Akteur_innen (innerhalb der AfD) gegen Antifaschist_innen sorgen für eine Stimmung, in der sich ihre Anhänger_innen und Mitglieder dazu berufen fühlen zur Tat zu schreiten. Dies zeigte jüngst auch der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) in einer Analyse zur zunehmenden Gewaltbereitschaft von Funktionär_innen der AfD. 

Rechte Gewalt wirkt als Mittel zur Einschüchterung und Durchsetzung der eigenen Ideologie. Allein in Schleswig-Holstein wurden im Jahr 2022 mindestens 32 Angriffe auf politische Gegner_innen von ZEBRA erfasst und bundesweit machten in den letzten Jahren Fälle wie der Überfall auf zwei Journalisten in Fretterode deutlich mit welcher Brutalität Akteur_innen der extremen Rechten bereit sind ihre menschenverachtende Ideologie gegenüber politischen Gegner_innen durchzusetzen.

Auch vor Gericht stehen Angeklagte im Sinne der juristischen Aufarbeitung im Mittelpunkt. Doch auch hier sollten die Betroffenen nicht alleine gelassen werden.

Rechte Angriffe können einen schweren Einschnitt in das Leben der Betroffenen darstellen. Vereinzelung, Rückzug, Angst, Aufgabe der politischen Aktivität sowie langfristige körperliche und psychische Einschränkungen können die Folge sein. Folgen, die sich nicht nur auf die direkt Betroffenen auswirken können, sondern auch auf ihr familiäres, soziales und politisches Umfeld. Daher braucht es Solidarität mit Betroffenen, die ausdrückt, dass diese nicht alleine mit dem Erlebten sind.

Das Bündnis „Tatort Henstedt-Ulzburg“ zu einer solidarischen Prozessbegleitung auf.

Prozesstermine:
Landgericht Kiel, Schützenwall 31-35, 24114 Kiel

Montag 03.07.2023 09.00 Uhr
Freitag 07.07.2023 08.30 Uhr
Freitag 14.07.2023 09.00 Uhr
Mittwoch 02.08.2023 09.00 Uhr
Donnerstag 10.08.2023 13.30 Uhr
Freitag 11.08.2023 09.00 Uhr
Montag 14.08.2023 09.00 Uhr
Mittwoch 23.08.2023 09.00 Uhr
Freitag 25.08.2023 09.00 Uhr
Montag 28.08.2023 09.00 Uhr
Montag 25.09.2023 09.00 Uhr
Mittwoch 27.09.2023 09.00 Uhr
Donnerstag 05.10.2023 09.00 Uhr
Montag 09.10.2023 09.00 Uhr
Donnerstag 12.10.2023 09.00 Uhr

Die Pressemitteilung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ bzw. des BAFzA sowie des Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein und des Landesdemokratiezentrums dar. Für inhaltliche Aussagen trägt der oder die Autor:in bzw. tragen die Autor:innen die Verantwortung.

Rechte Gewalt braucht keine Nazis

Auch in Schleswig-Holstein sind rassistische und antisemitische Übergriffe ein Alltagsphänomen.

(…) Der Schein trügt. »Es muss niemand organisierter Neonazi sein, um eine Tat zu begehen«, macht Felix Fischer vom Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) in Schleswig-Holstein gegenüber nd.derTag klar. Der Verein betreut und berät Opfer rassistischer, antisemitischer und anderer rechtsmotivierter Taten, leistet Bildungsarbeit und erstellt seit 2018 ein jährliches Monitoring zu rechten Gewalttaten im nordwestlichsten Bundesland. Die jüngste Statistik liegt für 2021 vor. Im Vorjahr registrierte Zebra 77 rechte Gewalttaten mit insgesamt 148 betroffenen Menschen, darunter 31 Kinder und Jugendliche. »Es reichen auch einzelne Aspekte einer menschenverachtenden Ideologie wie Rassismus oder Antisemitismus, damit sich Menschen berufen fühlen, andere anzugreifen«, so Fischer, der seit zwei Jahren als Berater für Zebra arbeitet. (…)

Fischer erklärt, dass Zebra bei seiner Erfassung rechter Gewalttaten Kontinuitäten feststelle. »Weit über 50 Prozent der Angriffe, die wir im Monitoring aufnehmen, sind rassistisch motiviert. Die zweite große Gruppe an Betroffenen sind politische Gegner*innen, seien es Antifas oder Lokalpolitiker*innen.« Ein besonders schwerer Fall, auf dem Zebra seinerzeit besonders hinwies, ereignete sich im Oktober 2020. Am Rande einer AfD-Veranstaltung in Henstedt-Ulzburg fuhr Melvin S. mit seinem Pick-up in eine Gruppe Gegendemonstrant*innen, vier Personen wurden verletzt. Zwar erhob die Staatsanwaltschaft Kiel mehr als ein Jahr später Anklage wegen versuchten Totschlags, doch bis heute steht der Prozessbeginn aus. Zum zweiten Jahrestag vor wenigen Wochen sprach Martina Renner, Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag, von einem »Akt rechten Terrors«, der sich in Henstedt-Ulzburg ereignet habe. (…)

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168729.schleswig-holstein-rechte-gewalt-braucht-keine-nazis.html/

„Das Demokratiefördergesetz muss echte Perspektiven bieten“ – Zivilgesellschaft stellt eigenen Gesetzentwurf vor

Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD)

Berlin, 27. September 2022

Anfang 2023 soll das Demokratiefördergesetz in Kraft treten. Eigentlich sollte es Demokratieprojekte langfristig absichern. Doch was aus der Politik zu hören und den Eckpunkten zu entnehmen ist, ernüchtert:

Geplant ist ein abstraktes Gesetz, das für die Projekte wenig ändern würde. Die „Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung“ (BAGD), ein Zusammenschluss von über 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen, legt deshalb einen eigenen Gesetzentwurf vor. Er zeigt, was im Demokratiefördergesetz geregelt sein muss, um Projekten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus die angekündigte Planungssicherheit zu geben – und damit eine Handlungsempfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses umzusetzen, die bereits 2017 im Bundestag fraktionsübergreifend beschlossen wurde.

Der 10-seitige Entwurf sieht unter anderem vor:

  • Das Gesetz benennt konkrete Demokratiegefährdungen und macht klar, aus welchen Richtungen die Demokratie angegriffen wird.
  • Das Gesetz benennt eindeutige Fördergegenstände. Dazu gehören die Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die Ausstiegsberatung und ihre jeweiligen Dachverbände sowie die Kompetenznetzwerke, die bundesweit verschiedene Formen von Demokratiefeindlichkeit bearbeiten.
  • Das Gesetz regelt verbindlich, dass die Zivilgesellschaft an der Erstellung und Umsetzung der Förderrichtlinien beteiligt wird. Denn die Richtlinien werden ausschlaggebend dafür sein, unter welchen Bedingungen die Fördergelder bei welchen Trägern landen.
  • Für die Umsetzung des Demokratiefördergesetzes wird eine jährliche Summe von 500 Millionen Euro vorgesehen.

Grit Hanneforth, Geschäftsführerin des Bundesverbands Mobile Beratung (BMB):
„Desinformationen, Verschwörungserzählungen und Angriffe auf Kommunalpolitik – in den letzten zwei Jahren ist noch einmal sehr deutlich geworden, dass die Demokratie und die Menschen, die sich für sie einsetzen, in Gefahr sind. Das Demokratiefördergesetz muss daher halten, was es verspricht, und Projekten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus echte Perspektiven bieten. Unser Gesetzentwurf liefert dafür konkrete Vorschläge. Wir sind uns einig, dass ein gutes Gesetz nur unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft entstehen kann. Auch die Förderrichtlinien müssen in Zukunft unter Beteiligung der geförderten Träger erarbeitet, evaluiert und weiterentwickelt werden. Dafür gibt es gute Beispiele, etwa im Bereich des Kinder- und Jugendplans des Bundes. Für die Politik heißt das: Gestaltungsmacht teilen, um Kompetenz zu gewinnen.“

Robert Kusche, Vorstand im Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.):
„Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und rechtsterroristischen Attentaten benötigen langfristige, solidarische und professionelle Beratungsstrukturen. Dies ist nur mit einer gesetzlichen Grundlage möglich. Daher haben wir uns im Rahmen der BAGD – ein Zusammenschluss bundesweiter zivilgesellschaftlicher Träger – daran beteiligt, einen zivilgesellschaftlichen Gesetzesentwurf in die Debatte einzubringen. Wir fordern ein modernes und inklusives Demokratieverständnis, einen gesetzlich verankerten Mechanismus zur Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Erstellung von Förderrichtlinien, die klare Benennung der zu fördernden zivilgesellschaftlichen Strukturen und Themen sowie die Festschreibung einer realistischen Mindestsumme, um die Arbeit langfristig abzusichern. Nur so können wir den mannigfaltigen Herausforderungen gerecht werden.“

Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung:
„Die engagierte Zivilgesellschaft braucht Planungssicherheit, die kleinteilige Projektitis muss aufhören. Wir brauchen eine Demokratieinfrastruktur, auf die sich Engagierte und Betroffene rechter Gewalt verlassen können. Ein klar abgestecktes und finanziell unterlegtes Demokratiefördergesetz ist auch die Ansage an den organisierten Rechtsextremismus, dass die demokratische Gesellschaft ihm die Stirn bietet.“

Die Pressemitteilung im Original und Kontaktmöglichkeiten für Nachfragen finden Sie auf der Website unseres Dachverbands VBRG.

Hass-Kommentare im Internet: Sind Ermittler zu lasch?

Recherchen der Sendung ZDF Magazin Royale legen nahe, dass Ermittlungsbehörden Hass-Postings oft nicht konsequent verfolgen – auch in Schleswig-Holstein. Beratungsstellen fordern jetzt Konsequenzen.

(…)Zebra: Opfer von Bedrohungen fühlen sich oft nicht ernst genommen

Nagel fordert zudem, dass Ermittler sich europaweit besser vernetzen. „Wenn das Internet ein rechtsfreier Raum ist, dann führt das dazu, dass Täter sich ermutigt fühlen weiterzumachen“, sagt er. „Das vergiftet das gesellschaftliche Klima und sorgt dafür, dass Betroffene in Angst leben.“

Von einer „Erschütterung des Sicherheitsempfindens“ spricht auch ein Sprecher des Zentrums für Betroffene rechter Angriffe in Kiel, kurz Zebra. Hass-Postings fallen zwar nicht primär in den Tätigkeitsbereich des Vereins. Zebra wird aber aktiv, wenn Menschen direkt bedroht werden – auch im Internet. Immer wieder komme es vor, so ein Sprecher, dass Opfer von Bedrohungen Strafanzeige stellen wollten und sich dabei nicht ernst genommen fühlten. „Manche von ihnen verlieren dann das Vertrauen in den Rechtsstaat.“

Es sei wichtig, dass die Polizei in solchen Fällen stärker die Perspektive der Betroffenen einnehme, meint der Zebra-Sprecher. „Wenn sie eine Anzeige stellen und dabei auf Ablehnung stoßen, kann das dazu führen, dass sie erneut viktimisiert werden, also erneut zum Opfer werden.“ (…)

https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Hass-Kommentare-im-Internet-Sind-Ermittler-zu-lasch,hasspostings114.html/

Konstant hohes Niveau: 77 Fälle von rechter Gewalt im Land

Kieler Nachrichten (28.04.2022)

Rechte Gewalt bewegt sich in Schleswig-Holstein auf einem konstant hohen Niveau. Das geht aus den Zahlen des Betroffenen-Netzwerks Zebra für 2021 hervor. Diese seien dabei nur die Spitze des Eisbergs, sagt Projektleiterin Annika Vajen. Man gehe von einer hohen Dunkelziffer aus.

Das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) sieht rechte Gewalt in Schleswig-Holstein auf einem konstant hohen Niveau. 77 Fälle von Körperverletzung, Brandstiftung, Sachbeschädigung oder Bedrohung mit einer politisch rechten, rassistischen oder antisemitischen Motivation hat es 2021 nach einer Auswertung des Betroffenen-Netzwerks im Land gegeben. (…)

(https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Zahlen-fuer-SH-148-Betroffene-von-rechter-Gewalt-im-Jahr-2021)

Zahl rechter Gewalttaten bleibt in SH auf hohem Niveau

Norddeutscher Rundfunk (28.04.2022)

Auch 2021 gab es wieder Dutzende Gewalttaten mit rechten, rassistischen oder antisemitischen Motiven. Das gab „Zebra“, das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe, bekannt.

Seit 2017 führt das Zentrum mit Sitz in Kiel ein unabhängiges Monitoring aus. Im Jahr 2021 gab es demnach 77 solcher Gewalttaten, von denen 148 Menschen betroffen waren. In rund der Hälfte der Fälle ging es um leichte, in einem Drittel um schwere Körperverletzung. 2020 wurden bei der Beratungsstelle ähnlich viele – nämlich 79 Gewalttaten – registriert. Die rechten Überfälle passierten flächendeckend in ganz Schleswig-Holstein.

(https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Zahl-rechter-Gewalttaten-bleibt-in-SH-auf-hohem-Niveau,rechtsextremismus454.html)

Pressemeldungen
Rechte Gewalt braucht keine Nazis

Auch in Schleswig-Holstein sind rassistische und antisemitische Übergriffe ein Alltagsphänomen. (…) Der Schein trügt. »Es muss niemand organisierter Neonazi sein, um eine Tat zu begehen«,

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